Fällt Niederschlag auf eine Oberfläche, entscheidet ihre Beschaffenheit darüber, ob er durch die Fläche versickern kann oder nicht. Gerade im städtischen Raum ist ein hoher Anteil an Oberflächen – und damit der anstehende Boden – durch Bebauung und Infrastruktur versiegelt. Der städtische Boden ist somit luft- und wasserdicht verschlossen. Auftretendes Niederschlagswasser kann nicht oder nur zu geringem Maße vor Ort versickern. Zusätzlich ist der natürliche Gasaustausch zwischen Boden und Atmosphäre unterbunden (UBA 13.03.2014).

Bei Starkregenereignissen in Städten fällt viel Niederschlag in kurzer Zeit (laut UWZ (13.03.2013) mindestens 5 mm innerhalb von 5 Minuten oder 17 mm innerhalb von einer Stunde) auf Oberflächen mit hohem Versiegelungsgrad. Da das Wasser nicht vor Ort im Boden versickern kann, wird es geregelt im Kanalsystem abgeleitet. Dieses muss ausreichend groß dimensioniert sein, um die plötzlich anfallende Wassermenge aufnehmen und ableiten zu können. Hohe Kosten bei Bau, Ausbau und Instandhaltung des Kanalnetzes entstehen, notwendiges Geld dafür muss von der öffentlichen Hand aufgebracht werden.

Ein gezielt eingesetztes Regenwassermanagement schafft hier Abhilfe – ein nachhaltiger Umgang mit Niederschlagswasser wird dann verfolgt, wenn es nicht in Kanäle abgeleitet, sondern möglichst vor Ort versickert, gespeichert, verdunstet oder genutzt wird: Offenporige Oberflächen (z.B. Mulden-Becken-Rigolsysteme, Grünflächen) erlauben die Versickerung von Regenwasser vor Ort und eine Zuführung zum Grundwasser. Niederschläge können temporär in Speichermedien (z.B. Aufbauten von Bauwerksbegrünungen, Zisternen) zurückgehalten und verzögert verdunstet bzw. durch Pflanzen evapotranspiriert werden, oder für eine nachfolgende Nutzung (Bewässerung, WC-Spülung) gesammelt werden.

Regenwassermanagement

Versickerung, Retention und Verdunstung, Speicherung und Wiederverwendung – drei Strategien des Regenwassermanagements für Städte (Pitha und Enzi, 2013).

Regenwassermanagement hat somit viele Vorteile. Boden und Pflanzen werden mit Wasser versorgt, Grundwasser wird stetig erneuert. Die Verdunstung von Regenwasser bedingt eine gesteigerte Luftfeuchtigkeit, gleichzeitig wird beim Verdunstungsprozess Kälte erzeugt und somit die Umgebung gekühlt. Wird Regenwasser für Bewässerungszwecke genutzt, kann wertvolles Trinkwasser gespart werden. Kanalsysteme und Kläranlagen werden entlastet. Bei Hochwasserereignissen kann der Abfluss verzögert und reduziert werden. Wird die Versickerung über belebten Boden ermöglicht, passiert Niederschlag den aktiven Bodenfilter mit Reinigungsleistung. Außerdem kann gespeichertes Wasser in Trockenperioden genutzt werden (MA22).

Die Wiener Regenwassermanagement-Strategie

Seit 2010 verfolgt die Stadt Wien ein vielseitiges Strategieprogramm, um Regenwassermanagement in der Stadt zu fördern. Ausschlaggeben dafür waren geänderte internationale und nationale Rahmenbedingungen, wie die Umsetzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie, die den Schutz und den Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit von Gewässern und eine länderübergreifende, nachhaltige Bewirtschaftung der Ressource Wasser zum Ziel hat. Aber auch kommunalpolitische Ziele der Stadt Wien, wie die Entlastung der Kanäle vom Regenwasser und die Renaturierung der Wienerwaldbäche (GRIMM 2010) zählen dazu. Eine umfangreiche Untersuchung und Bearbeitung des Themas wurde beauftragt: Ein Motivenbericht zum integrativen Regenwassermanagement, rechtliche Grundlagen zum Regenwassermanagement und eine Beispielsammlung sowie Informationsmaterial wurden zusammengetragen, aufbereitet und erstellt. Mehrere Magistratsabteilungen (Wiener Umweltschutzabteilung, Stadtbaudirektion und Wiener Gewässer) sowie die Unternehmung Wien Kanal arbeiten verstärkt für den Einsatz von Regenwassermanagement in der Stadt (MA 22a 10.07.2014).

Regenwassermanagement -Oase 22 Raingarden mit Stauden Pitha

Wohnhausanlage Oase 22, Wien: Mit Stauden bepflanzte Versickerungsmulde – zugleich ästhetisch hochwertig und funktionell (Pitha, 2013).

Die Stadt Wien hat damit erkannt, dass Regenwassermanagement einen vielseitigen Nutzen hat: Wasser wird im natürlichen Kreislauf belassen, Nutzung von Trinkwasser für Bewässerungszwecke wird minimiert, die Ressource Boden wird mit Wasser versorgt und in Folge die Dotation des Grundwassers erzielt; Feuchtbiotope und trockengefallene Gewässeraltarme werden neu geschaffen bzw. neu belebt; die städtische Luftfeuchtigkeit wird gesteigert, gleichzeitig wird eine kühlende Wirkung der Umgebungsluft bedingt durch den Verdunstungsprozess erzielt; unvermeidbare Versiegelungen können kompensiert werden; Hochwasserabflussmengen werden minimiert, wodurch notwendige Schutzbauten geringer dimensioniert werden können; eine Entlastung von Kanal und Kläranlage führt zu finanziellen Vorteilen für die Stadt und deren Bevölkerung; Regenwasser beleibt am Grundstück und kann vor Ort positiv wirken (MA22a 10.07.2014).

Als mögliche Bauweisen, die im Rahmen des Regenwassermanagements zum Einsatz kommen, werden Dachbegrünung, Flächenversickerung, Muldenversickerung, Rohr- und Rigolenversickerung, Schachtversickerung, Mulden-Rigolen-System sowie Beckenversickerung genannt. Eine sinnvolle Kombination von mehreren Bauweisen wird empfohlen (MA22).

Bauwerksbegrünung mit Regenwassermanagementfunktion

Städte weisen ein hohes, meist noch brachliegendes Flächenpotenzial für Bauwerksbegrünungen wie Dach- und Fassadenflächen auf. Bauwerksbegrünung kann aufgrund ihrer bau- und vegetationstechnischen Eigenschaften einen interessanten Beitrag zum urbanen Regenwassermanagement leisten. Konstruktion und Aufbau, Substrate und Trägermaterialien sowie Pflanzen ‚managen’ das auftreffende Wasser unterschiedlich: Abhängig von Schichtaufbau, Schichthöhe und eingesetzte Materialien kann Niederschlagswasser gesammelt und gespeichert werden. Regenwasserspitzen, wie sie bei Starkniederschlagsereignissen auftreten, werden gepuffert und zeitlich verzögert abgegeben. Je nach Aufbaudicke und Begrünungsart lassen sich für Standorte mit einem Jahresniederschlag von 650 bis 800 mm Anhaltswerte für die prozentuale jährliche Wasserrückhaltung von Dachbegrünungen zwischen 40 % (Extensivbegrünungen mit 2 bis 4 cm Aufbaudicke) und >90% (Intensivbegrünungen mit >50 cm Aufbaudicke) veranschlagen (FLL 2008).

Bedingt durch ihre vertikale Positionierung und dem der Schwerkraft folgenden Wasser wird angenommen, dass wandgebundenen Fassadenbegrünungssysteme geringere Wasserrückhaltungswerte erzielen (z.B. teilflächige Vegetationsträger mit linear angeordneten Pflanzenbehältnissen). Jedoch je nach eingesetztem Substrat oder Trägermaterial und Konstruktion, kann auch hier Wasser rückgehalten werden, z.B. wenn Niederschlagswasser gezielt und geregelt eingeleitet wird.

In Substraten und Aufbauten von Bauwerksbegrünung gespeichertes Wasser kann in Folge über die Substratoberfläche verdunstet werden. Auch Pflanzen benötigen für ihr Wachstum Wasser, das wiederum im Photosynthese-Prozess über die Evapotranspirations-Leistung an die Umgebung weitergegeben wird. Bei diesen Verdunstungsvorgängen wird der Umgebungsluft Energie entzogen und somit ein für uns Menschen fühlbarer Kühleffekt erzielt. Zusätzlich kann in Zisternen gesammeltes und gefiltertes Regenwasser auch der künstlichen Bewässerung von Pflanzensystemen während Trockenperioden dienen.

Regenwassermanagement-Potenziale für Bauwerksbegrünungen: sammeln und speichern; puffern und verzögert abgeben; verdunsten, transpirieren, verbrauchen und nutzen (Pitha, 2013).

Ein überzeugendes Wiener Beispiel mit nachhaltigem Regenwassermanagement

Das Boutiquehotel Stadthalle in 1150 Wien zeigt deutlich auf, welche Effekte mit einem durchdachten Regenwassermanagement erzielt werden können. Ein zum Nullenergiehaus umgebauter Gebäudealtbaubestand mit Innenhofsituation wurde hofseitig um einen eingeschossigen Gebäudekomplex mit Gründach erweitert. Auf dem Dach des Zubaus entstanden 145 m2 Intensivgründach und 140 m2 Exensivbegrünung. Diese Dachflächen werden als Wasserretensionsflächen genutzt und dienen zur Kühlung des Hotelaußenraums. Die Fassaden des Altbaubestandes und des Zubaus sind zusätzlich mit bodengebundenen Begrünungen ausgestattet.

Beim Umbau wurde auch eine Regenwasserzisterne mit einem Fassungsvermögen von 10.000 l errichtet. Mit Hilfe von 200 m2 Steildachfläche des Altbaubestandes kann jährlich etwa 500 m3 Regenwasser gesammelt werden. Dieses wird zur Bewässerung der Grünanlage sowie für die hoteleigenen WC-Anlagen genutzt (GRIMM 2010).

2013 wurde die straßenseitige Fassade des Boutiquehotels um eine ca. 200 m2 große wandgebundene Begrünung erweitert. Wasser wird durch den intensiven, flächigen Pflanzenbewuchs transpiriert, ein Kühleffekt der unmittelbaren Umgebungsluft ist zu verzeichnen.

Mehrere Regenwassermanagement-Bauweisen wurden hier zu einem nachhaltigen Gesamtkonzept bestmöglich vereint. Wer Interesse an diesem Wiener Beispiel hat, kann mittels Fachführung den Hotelkomplex besichtigen. Infos und Kontakt sind auf der Hotel-website unter – www.hotelstadthalle.at – zu finden.

Boutiquehotel Stadthalle, Wien: Ein gelungenes Beispiel für Regenwassermanagement im innerstädtischen Kontext durch Kombination aus Innenhofbegrünung, Dach- und Fassadenbegrünung sowie Zisterne (Enzi, 2013).

Konfliktfelder und Hemmnisse

Das Beispiel Boutiquehotel Stadthalle zeit klar auf, dass Regenwassermanagement eines ganzheitlichen Kreislaufdenkens und einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema bedarf. Bereits in der Planung müssen ganzheitliche Ansätze unter Einbindung der möglichen Wasserkreisläufe durchdacht und berücksichtigt werden. Technische Einrichtungen (z.B. Pumpe, separate Leitungsführungen, Filteranlagen…) erfordern erhöhten Planungsaufwand und sind mit Mehrkosten verbunden. Höhere statische Anforderungen an die Gebäudestruktur beispielsweise für Gründächer sind miteinzuplanen und zu kalkulieren. Pflege- und Instandhaltungsarbeiten müssen überlegt und berechnet werden. Jedoch können Folgekosten wie zum Beispiel für Kanaleinleitung oder Wasserverbrauch im jährlichen Betrieb mit Hilfe eines durchdachten Regenwassermanagements eingespart oder vermindert werden.

GRIMM (2010) hat bezüglich der auftreten Kosten für Regenwassermanagement einen Vergleich angestellt: Er kommt zum Schluss, dass es einen signifikanten Zusammenhang zwischen Kosten und Bebauungsdichte gibt – je höher die bauliche Dichte ist, desto geringer sind die anteiligen Kosten. Die höchsten Kosten pro m2 Bruttogeschossfläche (BGF) für Regenwassermanagement entfallen laut seinen Berechnungen auf gewerbliche Nutzung (€40,-/m2 BGF). Geschoßwohnbau und Bürobau in verdichteten Strukturen steigen mit den geringsten Kosten aus (€5,70/m2 BGF). GRIMM (2010) empfiehlt daher aus städteplanerischer Sicht und aus Umweltschutzgedanken dichtere Bauformen kombiniert mit begrünten, nicht versiegelte Freiflächen.

Spezifisch in Wien sind im Planungsprozess aufwendige Genehmigungsschritte notwendig. Unterschiedliche Landesgesetze bzw. Verordnungen, die den Umgang mit Regenwasser regeln, sind zu berücksichtigen und einzuhalten. Die Zuständigkeit für die Einreichung bis hin zur Genehmigung von Regenwassermanagementprojekten fällt in den Wirkungsbereich von mehrere Behörden und Magistrate. Dadurch gestaltet sich der Prozess beginnend von der Planung bis zur Umsetzung aufwendig und zeitintensiv. Trotzdem sollte Regenwassermanagement bei jeder Planung und Ausführung Standard und Stand der Technik sein.

Empfehlung

Für stark verdichtet Stadtquartiere sind Bauwerksbegrünungen mit Regenwassermanagementfunktion besonders interessant, da sie platzsparend auf Dächern und Fassaden eingesetzt werden können. Sie sollten zukünftig verstärkt zur Anwendung kommen.

Um Bauweisen mit Regenwassermanagementfunktion zu forcieren, sind zusätzliche Anreize für Bauherrn, wie geeignete Förderinstrumente und Fördertöpfe zu schaffen. Ergänzend erleichtern vereinfachte Behördenwege und Zuständigkeiten (z.B. One-Shop-Service) den Zugang und erhöhen in Folge die Anzahl von umgesetzten Objekten.

Wissenssteigerung durch Bildungs- und Informationsmaßnahmen für Planende, Ausführende, Entscheidungsträger und Bauherrn führen zu einem gesteigerten Einsatz von Bautechniken mit Regenwassermanagementfunktion. Planungshandbücher und Leitfäden abgestimmt auf Nutzer und Nutzerinnen sind dafür hilfreich.

Auch eine stärke Einbindung des Themas auf städteplanerischer und städtebaulicher Ebene, sowie eine fach- und Gewerke übergreifende Planung und Ausführung von Gebäude und Freiraum intensivieren den Regenwassermanagementgedanken nachhaltig.

Dachgarten mit Stauden und Kleingehölzen der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt Schönbrunn, Wien: Grün am Dach mit Regenwassermanagementfunkton – eine potenzielle Möglichkeit für dicht verbaute und stark versiegelte Stadtquartiere (Pitha, 2013).

Regenwassermanagement ist eine zukunftweisende Technik und Strategie den Wasserhaushalt von Stadtlandschaften positiv zu gestalten. Dach- und Fassadenbegrünungen sind wirksame Bautechniken mit Regenwassermanagementfunktion, und sollten daher grade in verdichteten und versiegelten Stadtquartieren verstärkt eingesetzt werden. Mit ihnen wird der städtische Wasserhaushalt nachhaltig in Richtung Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität beeinflusst.

Quellen

FLL, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (2008). Richtlinie für die Planung, Ausführung und Pflege von Dachbegrünungen – Dachbegrünungsrichtlinien, Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e.V. (Hrsg.), Bonn.

MA22, Magistrat der Stadt Wien, Wiener Umweltschutzabteilung. Regenwassermanagement. Nachhaltiger Umgang mit wertvollem Regenwassermanagement.

MA 22a, Magistrat der Stadt Wien, Wiener Umweltschutzabteilung (10.07.2014). http://www.wien.gv.at/umweltschutz/raum/regenwassermanagement.html. Zugriff am 10.07.2014.

GRIMM, Karl (2010). Integratives Regenwassermanagement: Motivenbericht. Magistrat der Stadt Wien, Wiener Umweltschutzabteilung (Hrsg).

UBA, Umweltbundesamt (13.03.2014). http://www.umweltbundesamt.de/daten/bodenbelastung-land-oekosysteme/bodenversiegelung. Zugriff am 13.03.2014.

UWZ, Österreichische Unwetterzentrale (13.03.2014). Zugriff am 13.03.2014.

Kontakte

Boutiquehotel Stadthalle. Hackengasse 20, 1150 Wien, Österreich. 

http://www.hotelstadthalle.at

Bildquellen

Ulrike Pitha und Vera Enzi, Universität für Bodenkultur Wien, Peter-Jordan-Strasse 82, 1190 Wien, Österreich