Von der Fachwelt weitgehend unbemerkt steht im niederländischen Eindhoven, einer Stadt mit rund 250.000 Einwohner eine Besonderheit im Bereich von Wohnbau: ein niederländischer ‚Bosco vertikale‘ – jedoch nicht für reiche Bewohner, wie der weltweit berühmte Bau in Mailand, sondern ein Bosco vertikale im sozialen Wohnungsbau. Fast nicht zu glauben, dass dies möglich ist – aber es ist gebaut und zudem unter den knappen Finanzierungsmöglichkeiten, die der niederländische Sozialbau auferlegt. Auch in ästhetischer Hinsicht: das Gebäude lässt nichts zu wünschen übrig – nur eben dies, dass die breite Fachwelt noch nicht ihr Augenmerk darauf gerichtet hat. Nur wir scheinen dies bemerkt zu haben und haben einen Artikel darüber publiziert – nicht zuletzt weil unser Harrie van Helmond, ein Biotope-City-Verfechter der frühen Stunde, in Eindhoven lebt und auch dort sein Bureau hat. Harrie van Helmond betrachtet dieses Gebäude dann auch nicht einfach aus dem Gesichtspunkt der wohnungswirtschaftlichen Sensation, sondern klopft es ab auf weite ökologischen Werte: Natur in der dichten Stadt. Nun nach Fertigstellung und vollständigem Bewohnen hat Harrie van Helmond zusammen mit Jannie Landa, spezialisiert in ökologische Fragen von Planen und Bauen, erneut die Feder ergriffen; zusammen haben sie quasi eine aktuelle Evaluation dieses grossartigen Projekts gemacht – und noch einmal ihre frühere Kritik bestätigt gefunden.

– Red. Biotope City Journal –

Vor zwei Jahren schrieben wir einen Artikel über den Baubeginn der Trudotoren bei StrijpS in Eindhoven. Der Entwurf von Stefano Boeri ist eine Variante des Bosco-Vertikals in Mailand, allerdings im Bereich des sozialen Wohnungsbaus und nicht der überteuerten Wohnungen in Mailand. Dem Bauherrn Trudo gebührt dafür großes Lob, bald werden Kamerateams das fast fertige Gebäude besichtigen. Wir durften zusammen mit dem grünen Bauunternehmer Dupré auf den Turm steigen.

Unser früherer Artikel endete mit der Feststellung:

„Die Trudotoren sind in vielerlei Hinsicht ein Pilotprojekt. Es bleibt zu hoffen, dass ein ökologischer Ansatz zu mehr biologischer Vielfalt führen kann. Für künftige Projekte ist es unerlässlich, dass die Bauherren und ihre Planer ökologische Grundsätze ebenso wichtig nehmen wie ästhetische Werte. Das ist nicht schwer. Man muss nur erkennen, dass man es tun kann, und es dann auch tun. Wenn das ein Paradigmenwechsel ist, dann soll es so sein!“

Leider war der Architekt nach unserem vorherigen Artikel nicht dafür zu gewinnen, die Pflanzen, die noch nicht fest ausgesucht waren, nun doch vor allem aufgrund ihrer ökologischen Leistung auszuwählen. Wir hatten darum gebeten, nachdem wir die ausgewählten Baumarten auf ihre ökologischen Qualität hin untersucht hatten und festgestellt hatten, dass sie leider nicht viel zur Artenvielfalt im Gebiet StrijpS, in dem das Bauwerk steht, beitragen werden. Auch der Lieferant der Pflanzen und Baumsorten teilte unsere Kritik und wäre gerne bereit gewesen, seinen Auftrag noch einmal unter ökologischen Gesichtspunkten zu überarbeiten. Zum Bedauern des grünen Auftragnehmers stand diese andere, ökologisch sinnvollere Sicht nicht zur Diskussion. Wieder einmal fehlt es an Bewusstsein bei Designern, Bauherren und Planprüfern, dass wir unser Lebensumfeld für die Gesundheit von Menschen, Tieren und dem Planeten selbst drastisch umgestalten müssen und eine ganzheitlich ökologische Sicht unbedingt erforderlich ist. Zum Teil kann es natürlich auch an mangelndem Wissen liegen. Die Bepflanzung von Gebäuden selbst, also nicht der Freiraum und Gebäude herum, ist immer noch für Architekten, ja selbst für Grün-Firmen, Neuland. Gebäude mit Bäumen und Sträuchern auf den Balkonen sind ein Mittel zur Bekämpfung von Hitzestress. Doch sie können auch unbestreitbar zur Erhöhung der Artenvielfalt beitragen. Diese Chance sollte man nutzen!

Ein Umsetzungsplan für Strijp S als  ein klimaresilientes Gebiet wurde 2017 für das gesamte Planungsgebiet erstellt. Es wurde beschlossen, keine strengen Vorgaben zu machen, sondern lediglich diese Zielvorstellung zur Orientierung zu geben, was ein flexibleres Vorgehen ermöglichen sollte. Der Begriff „biologisch vielfältig“ kommt in diesem Plan kaum , dh nur implizit vor. Offenbar ging man davon aus, dass eine Begrünung automatisch zu einer größeren biologischen Vielfalt und ökologischen Qualität führt.

Die neue Torenallee ist die grüne Ader des Gebietes; sie hat sich fantastisch entwickelt, und an heißen Tagen kann man sehen, dass sich die Menschen hier in der ansonsten sehr steinigen und damit überhitzten Umgebung gerne aufhalten.

Aber laut diesem Umsetzungsplan sollten alle Dächer von bestehenden und neuen Gebäuden begrünt werden. Bislang ist das nicht der Fall.

Vom obersten Stockwerk aus betrachtet, fällt auf, wie viele Möglichkeiten es in Strijp S noch gibt, grün zu werden.

Trotz der Auflagen, die bei der Erteilung einer Umweltgenehmigung gemacht werden, sehen wir in den neuen Gebäuden wenig oder gar keine bauliche Begrünung. Das müssen die Bewohner selbst tun.

Zum Glück gibt es einige schöne Ausnahmen: das SpaceS-Projekt, die Dachgärten auf dem Anton- und dem Gerard-Gebäude, das Moosdach auf dem Klokgebouw-Gebäude, die überwucherten Fassaden des Bahnparkhauses und ab jetzt auch der Trudo-Turm.

In einem der Bäume auf den Balkonen der Trudotoren wurde bereits ein Vogelnest gesichtet. Es ist wichtig, dass die Jungvögel sofort genügend Insekten zur Verfügung haben. Die Frage ist, ob das Angebot auf diesen Balkonen und in der unmittelbaren Umgebung ausreicht, damit sie überleben können. Wir werden weiter verfolgen, wie sich die Dinge entwickeln und wie sich die Bewohner an der Bepflanzung beteiligen – und die Insekten, Spinnen und Vögeln, die auftauchen, tolerieren und unterstützen. Obwohl dies ursprünglich nicht beabsichtigt war, suchen wir jetzt nach Möglichkeiten, wie sich die Anwohner noch an der Pflege beteiligen können.

The roof gardens of the transformed factory buildings Anton and Gerard: thanks to a new foundation, a serious substrate layer could be applied to the roof here to enable tree growth. It functions as a favourite hang-out of the users and residents of both buildings, with beautiful views.

Moss mats placed on the roof 12 years ago on the Klokgebouw (former Philips factory of a.o. Philite):  have unexpectedly and to our great surprise caught on very well.

Die Bepflanzung oberhalb der so genannten Leidingstraat – direkt neben dem Waldturm – wird teilweise ersetzt, um mehr Erlebniswert zu schaffen. Der ursprüngliche Entwurf stammt von Piet Oudolf – ein grossartiger Gartenarchitekt für den ebenerdigen Freiraum – doch bei der Begrünung von Gebäuden herrschen andere Gesetze. Es wird mit dem neuen Entwurf mehr Volumen mit hängenden und immergrünen Bepflanzungen angestrebt. Zum Schluss noch einmal der Hinweis: das urbane Grün bedarf grösserer Aufmerksamkeit und konkreten Handelns für eine ganzheitliche bio-diverse Grünqualität ist – das ist von großer Bedeutung für Menschen, Pflanzen und Tiere. Es geht nicht nur um eine grüne Ästhetik und nicht nur um Hitzestress. Dieser umfassende ökologische Herangehensweise kostet nicht mehr Geld, sie erfordert nur mehr Aufmerksamkeit. 

The high-quality public transport line runs at Strijp S through a green tunnel of Blue Rain, a beautiful design by West 8.