HIGH LINE New York EINST OASE, JETZT THEMENPARK
„Die Bepflanzung der High Line ist inspiriert durch die Pflanzen, die sich während der 25 Jahre, in denen das erhöhte Schienensystem nicht mehr benutzt wurde, nachdem die Züge aufhörten zu fahren. Die 210 verschieden Arten von mehrjährigen Pflanzen, Gräsern, Büschen und Bäumen auf Sektion 1 wurden wegen ihrer Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und ihrer texturellen und farbigen Varietät ausgewählt, mit einem Schwerpunkt auf einheimischen Arten. Viele der Arten, die ursprünglich auf dem Schienenbett der High Line wuchsen, sind in die Parklanschaft [= Bepflanzung] integriert. Die Bepflanzung legt auch einen Schwerpunkt auf unterschiedliche Blütezeiten, wobei die Pflanzen von Sektion 1 von spätem Januar bis Mitte November blühen…“ So zu lesen auf www.thehighline.org
Die Idee, die High Line als öffentlichen Park zu gestalten ist grundsätzlich ausserst begrüssenswert. Doch als ich zum ersten Mal nach ihrer Eröffnung die High Line für diesen Bericht besuchte, kam es mir schon sehr bedenklich vor, als erstes ein paar schlecht gelaunte Gärtner die Pflanzen eines extrem manikürten, zurechtgestylten, pflegebedürftigen und nach Vorstadgarten aussehenden Parks wässern sehen zu müssen. Es sah aus, als ob das High Line Design Team beschlossen hätte „ein bisschen zu gärtnern“. Rechnet man noch das Geltungsbedürfniss einiger hochrangiger New Yorker Parkverwaltungsbeamten hinzu, dann hat man die Zutaten für diesen weiteren blitzeblanken und sterilen Park.
Bitte nicht falsch verstehen: die High Line ist teuerste Immobilien-Lage, und die Stadt New York dazu zu bringen, diese Fläche der Öffentlichkeit zu widmen ansstatt sie zu verkaufen ist an und für sich schon eine beachtenswerte Leistung.
Aber auch hier, wie oft, hätte weniger mehr sein können: anstatt wenigestens einen Teil der bestehenden, in 25 Jahren der Unberührtheit entstandenen Symbiose von Flora und Fauna zu erhalten, wurde mit einem enormen Budget und grosser Geste einfach Tabula rasa gemacht. ABSOLUT NICHTS blieb übrig vom vorherigen Charme, alles wurde für den distinguierten Stadtgeniesser mundgerecht zubereitet. Die Macher geben vor allem Sicherheitsgründe an, aber auch da kann, oder besser muss man kreative, die bestehende Flora und Fauna resperktierende Lösungen finden, als Beispiel seien hier die ‚Dschungellehrfade“ in den Baumwipfeln im Regenwald von Costa Rica genannt.
Wir müssen lernen, Bestehendes manchmal einfach zu belassen wie es ist. Wenn eine als Park designierte Fläche – sei es nun eine High Line oder ein unbebautes Grundstück – schon eine organisch gewachsene Flora und Fauna hat, dann müssen Architekten, Landschaftsgestalter und Designer auch in der Lage sein, mit diesem Gewachsenen zu arbeiten. Auch sollten sie sich verpflichtet fühlen, die lokale Flora und Fauna zu kennen und zu fördern, und nicht zu zerstören. Es muss endlich gelernt werden, dass sich ein guter Gestalter auch zurücknehmen darf.
Photos © Egon Zippel