Das Verhältnis Stadt und Natur in der Geschichte

 

Abb. 1  Peter Joseph Lenné um 1850, Porträt von Carl Joseph Begas

Abb. 3    Landwehrkanal 2019, Foto: Inken Baller

Abb. 4    Landwehrkanal 2019, Foto: Inken Baller

Um das sehr weite Thema einzugrenzen wird nur die Entwicklung der letzten 180 Jahre vorgestellt, beginnend mit Peter Joseph Lenné.

Peter Joseph Lenné (1789 – 1866) ist fraglos berühmt als großer Gartenbaukünstler (Abb.1). Seine Verdienste für die Planungen zur Stadterweiterung von Berlin sind weniger bekannt, obwohl sie die städtebauliche Entwicklung von Berlin sehr geprägt haben. Auf seiner Englandreise 1822 hatte er in London studieren können, welche Rolle Parks, Grünanlagen und Plätze in der Entwicklung einer Großstadt spielten und wie wenig es bisher in Berlin berücksichtigt wurde.

„Wie sehr Berlin daran Mangel leidet (an öffentlichem Grün) ist bekannt. Außer der Promenade Unter den Linden und außer dem Tiergarten besitzt die Hauptstadt keinen öffentlichen Spaziergang, wo der fleißige Handwerker, der tätige Fabrikarbeiter nach überstandenem Tagwerk sich abends und sonntags ergehen könnte. Dieser Mangel zeigt sich im ganzen nördlichen und südlichen Teil, also gerade in denjenigen Teilen der Stadt, welche der Hauptsitz der Gewerbe treibenden Klasse sind….“1

Abb. 2   Peter Joseph Lenné, Projektirte Schmuck- und Grenzzüge von Berlin und nächster Umgebung, 1840. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin – Brandenburg

In seinem Entwurf  für die „Projektirten Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung“ (Abb.2) von 1840 hat Lenné versucht, diesen Mangel zu beheben und ein umlaufendes Ringstraßensystem aus begrünten Alleen und Schmuckplätzen verbunden mit Parkanlagen vorgesehen, das leider nur in seinem südlichen Teil partiell ausgeführt wurde (der heute sogenannte GeneralszugTauentzienstraße, Kleiststraße, Bülowstraße,Yorckstraße, Gneisenaustraße). Darüber hinaus erarbeitete er eine Reihe von Bebauungsplänen. Realisiert wurde der Bebauungsplan des Cöpenicker Feldes, der heutigen Luisenstadt einschließlich der Gestaltung des Landwehrkanals und des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals mit der Uferbepflanzung und den begleitenden alleenartigen Straßen.(Abb.3,4)

Dass Berlin in so vielen Teilen so grün ist, haben wir auch Lenné und seiner Weitsicht zu verdanken. (Abb.5,6)

Abb. 5    Dieffenbachstraße, Berlin-Kreuzberg, 2019,  Foto: Inken Baller

Abb. 6    Fichtestraße, Berlin-Kreuzberg, 2019, Foto: Inken Baller

Lenné hatte jedoch die Dynamik der wachsenden Großstadt mit ihrem Verwertungsdruck auf Grund und Boden unterschätzt und die Entwicklung zur Mietskasernenstadt, so wie sie von Werner Hegemann in seinem Buch „Das steinerne Berlin“ charakterisiert wird, nicht mehr mit erlebt.

Bis heute erleben wir in Berlin Quartiere, die Berlins Image als „Grüne Stadt“ prägen neben Zeugnissen der „Steinernen Stadt“ (Abb.7,8)

Abb. 7    Jahnstraße, Berlin-Kreuzberg, 2019, Foto: Inken Baller

Abb. 8    Mariannenstraße, Berlin-Kreuzberg, 2019, Foto: Inken Baller

Abb.9     Landauer Straße, Rheingauviertel, Berlin-Wilmersdorf, Archiv: Herr Schultz

Abb.10  Terrassen Landauer Straße, Rheingauviertel, Berlin-Wilmersdorf,  Archiv: Herr Schultz

Gartenstadt-Bewegung

Schon lange bevor Werner Hegemann 1930 die Auswüchse der Bebauungspolitik der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in seinem Buch „Das steinerne Berlin“ bitter beklagte, hatte es in Berlin starke Gegenbewegungen gegeben. Beeinflusst von den Ideen Ebenezer Howards zur Gartenstadt (1898) sind nach der Jahrhundertwende neue Stadtkonzepte entwickelt worden.

Der Wettbewerb Groß-Berlin 1910 hat die Diskussion um das Großstadtgrün in besonderer Weise befördert, spielte doch das Grün einen Schlüsselrolle in den Bedingungen und Zielen der Wettbewerbsausschreibung. Als  europäisches Beispiel

wurde Wien zitiert. Schon 1905 erfolgte hier ein Beschluss zu einem Wald- und Wiesengürtel rund um Wien. Die Wettbewerbsbeiträge  haben in sehr unterschiedlichen Typologien die Vernetzung von Grün und Stadt aufgezeigt. Der erste Preisträger – Hermann Jansen – stellte zum Beispiel der Vorstellung eines scharf umgrenzten Stadtkörpers fließende Freiräume entgegen. Diese Konzept übertrug er auf sämtliche städtische Bereiche mit dem Ziel, jedem Stadtbewohner in wenigstens 2 km Entfernung einen Grünzug anzubieten2.

Parallel dazu entwickelte sich eine viel engmaschigere Verbindung zwischen Bebauung und Grün. In Berlin steht dafür exemplarisch dasRheingauviertel.

Mit dem Rheingauviertel hat die Terrain-Gesellschaft Berlin-Südwestunter ihrem Geschäftsführer Georg Haberland3um 1905 eine gleichermaßen städtische „Gartenstadt“ in Wilmersdorf errichtet, in diesem Fall mit öffentlichem, dekorativem Grün. Um einen einheitlichen und trotzdem individuellen Charakter der viergeschossigen Wohnblöcke mit Mietwohnungen zu erhalten, wurde für die Fassaden im englischen Landhausstil ein einziger Architekt, Paul Jatzow,verpflichtet, während die Wohnungen selbst durch weitere Architekten geplant wurden. (Abb.9,10)

Die Straßen des Viertels werden bis heute geprägt durch die Fassaden mit hohen Giebeln und Vorgärten und den dreizehn Meter tiefen sogenannten „Gartenterrassen“, die zu den Gebäuden leicht ansteigen. Ursprünglich sollte sich das Grün der Terrassen als vertikales Spalier fortsetzen, an das sich Kletterrosen bis zum ersten Stock der Häuser hinauf ranken sollten.(Abb. 9,10) Die Mietwohnungen für eine gehobene Bürgerschicht galten als vorbildliche Frühform aufgelockerter Blockrandbebauung im Grünen. Heute sind die hohen Dächer nahezu alle ausgebaut, ein großer Teil der Wohnungen ist in Eigentumswohnungen umgewandelt. (Abb. 11,12)

Die GFZ der bis heute sehr beliebten Wohnanlage liegt etwa bei 2,0.

Abb.11  Landauer Straße, Rheingauviertel 2019, Foto: Inken  Baller

Abb.12  Landauer Straße, Rheingauviertel 2019, Foto: Inken Baller

Erste Umweltbewegung

Grüne Quartiere für Arbeiter und kleinere Angestellten folgten unmittelbar nach dem 1.Weltkrieg, hier stand das „soziale“ Grün im Vordergrund. Maßgeblich verantwortlich waren Martin Wagner und Leberecht Migge.

Der spätere für die 20er Jahre so wichtige Stadtbaurat Martin Wagner(1885 -1957) veröffentlichte 1916 seine Dissertation „Das sanitäre Grün der Städte: ein Beitrag zur Freiflächentheorie“. Die Dissertation bezog sich auf eine damals in Deutschland aktuelle Diskussion über den hygienischen Wert von Grünanlagen. Wagner versuchte Kriterien zu erarbeiten, die ein Mindestmaß an Grünfläche im Verhältnis zur Bevölkerungsdichte festlegen sollte. Die Qualität der Grünflächen wurde dabei nicht mehr von ihrem dekorativen Wert bestimmt sondern in ihrem Wert für Freizeitgestaltung, Sport. Erholung und Eigenversorgung mit Obst und Gemüse.

Leberecht Migge (1881 – 1935) war ab 1913 als Landschaftsarchitekt freischaffend tätig. Bereits 1912 war er dem Deutschen Werkbundbeigetreten. Gefördert durch die hierdurch entstandenen Kontakte und durch die Planung verschiedener öffentlicher Parks entwickelte Migge seine eigene Theorie von der Rolle und Funktion der Landschaftsarchitektur. In seinen Büchern „Die Gartenkultur des 20. Jahrhunderts“ (1913) oder „Jedermann Selbstversorger“ (1918) stellte er seine Vorstellungen über die sozialen Funktionen des städtischen Grünraums dar und entwickelte die Idee derGartenstadtzu einem eigenen Modell weiter. Nach seiner Auffassung sollte es möglich sein, die Städte zu „autonomen Wesen“ zu entwickeln, ohne die umgebende Landschaft auszubeuten.4

In Julius Poseners Vorlesungen wird die 1918 – 1921 erbaute Lindenhof-Siedlungin Tempelhof-Schöneberg in unmittelbarer Nähe vom S-Bahnhof Priesterwegals besonders markantes Beispiel einer Integration von Wohnen und Grün und der Zusammenarbeit von Martin Wagner und Leberecht Migge genannt.5 Bauherr der Siedlung war die bis 1920 selbstständige Stadt Schöneberg. In der Folge ging die Siedlung in das Eigentum einer 1921 gegründeten Genossenschaft über. (Abb.13,14)

Abb.13  Lindenhof von Martin Wagner und Leberecht Migge, rechts im Vordergrund das Ledigenheim von Bruno Taut, Luftbild von 1924, Archiv: Gewosüd

Abb.14  Plan der Lindenhof-Siedlung von Martin Wagner, Leberecht Migge, 1918. Archiv: Gewosüd

An die zwei- bis dreigeschossigen langen Hauszeilen mit gut geschnittenen, kostengünstigen Wohnungen schlossen sich im Innenbereich ca. 80qm große private Gärten an, zwi­schen denen Versorgungswege und Gartenlauben lagen. (Abb.15,16) 

Abb.15  Torhaus Reglinstraße, Lindenhofsiedlung 2019, Foto: Inken Baller

Abb.16  Hausgärten Reglinstraße 2019, Foto: Inken Baller

Für die nachbarschaftlichen Kontakte sorgten eingestreute kleine Plätze und für alle Bewohner eine große öffentliche Grünanlage, malerisch um einem See geplant. Der Lindenhof verfügte neben dem guten Wohnraumangebot über Läden, eine Schule und weitere Gemeinschaftseinrichtungen. (Abb.17,18,19).

Abb.17  Hausgärten Suttnerstraße 2019, Foto: Inken Baller

Abb.18  Hausgärten Hartkortstraße 2019, Foto: Inken Baller

Abb.19  Teichanlage Lindenhofsiedlung 2019, Foto: Inken Baller

Leider wurde die Siedlung im 2. Weltkrieg zu 80% zerstört, so dass ihr ursprünglicher Charakter nur noch ansatzweise zu erkennen ist. Beim Wiederaufbau  mit überwiegendem Zeilenbau wurden die meisten Hausgärten in allgemeine Grünflächen umgewandelt. Mit Beginn von Sanierungsarbeiten werden jedoch ab 2007 wieder Hausgärten angelegt. 2016 zeichnete die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks das Projekt „Wohnen, Vielfalt.Natur.Lindenhof“ im Rahmen der UN-Dekade Biologische Vielfalt als gelungenes Beispiel fürumweltfreundliches Wohnen inmitten der Großstadt aus. Hendricks: „Die Gartenstadt Lindenhof ist eine einzigartige grüne Oase mitten im Berlin. Durch das gemeinschaftliche Engagement von Bewohnerinnen und Bewohnern und der Wohnungsgenossenschaft konnte die biologische Vielfalt in der Wohnsiedlung erhalten werden.“6

 

Im Jahre 1926 wechselte Martin Wagner als Stadtbaurat in die zentrale Baubehörde Berlins. Das Stadtplanungsamt konnte unter seiner Leitung, in enger Zusammenarbeit mit neu gegründeten gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften und mit Hilfe der von ihm 1924 eingeführten Hauszinssteuer,ein umfangreiches Wohnungsbauprogramm umsetzen, in dem die Freiflächen in unmittelbarere Nähe der Wohnungen angeordnet wurden. Exemplarisch steht dafür die Hufeisensiedlung von Bruno Taut, wieder mit Leberecht Migge als Freiflächenplaner. Der von Bruno Taut geprägte Begriff des „Außenwohnraums“ wird hier in besonderer Weise eingelöst als soziale Freifläche, in der die Bewohner sich treffen können  (Abb.20). Sechs dieser Siedlungen gehören seit 2008 zum Welterbe, als Begründung wird die innovative Verbindung von Stadtplanung, Architektur und Gartengestaltung hervorgehoben.7 

Abb.20 „Außenwohnraum“ Hufeisensiedlung. Berlin-Britz 2019, Foto: Inken Baller

 

Im Bauhausjahr 2019 sollte der Blick auf das Bauhaus nicht fehlen. Ökologische Aspekte tauchen leider nur sehr marginal auf, eine Entdeckung sind jedoch Siedlungen in Dessau, die oft fälschlicherweise dem Bauhaus zugerechnet werden, aber erbaut wurden vom Anhaltischen Siedlerverband und geplant von Leberecht Migge und dem Architekten Leopold Fischer(1901 – 1975), einem Meisterschüler von Adolf Loos, dessen Leben und Werk erst jetzt nach und nach erforscht wird.8Leopold Fischer hatte bei Loos die Prinzipien des sparsamen Bauens in den Wiener Siedlungsprojekten kennen gelernt und studiert, 1925 folgte er einer Einladung von Walter Gropius nach Dessau, um dort im Baubüro Gropius zu arbeiten. Er beeinflusste vor allem die Anfangsphase der Siedlung Dessau-Törten.

Gemäß Tagebuchaufzeichnungen von Ise Gropius kam es zu einem Zerwürfnis. (…fischer, der in g.atelier längere Zeit gearbeitet hatte, dann aber wegen zu geringer Fähigkeiten und weil er sich mit Neufert nicht stellen konnte, abgebaut….)9Fischer verließ Gropius und war anschließend von 1925 bis 1931 Chefarchitekt des Anhaltischen Siedlerverbandes. Die zeitgenössischen Auseinandersetzungen um die Siedlung Törten (zu hohe Kosten, Baumängel, funktionale Fehler..) wurden jahrzehntelang heruntergespielt, die Qualitäten und hohe Akzeptanz der Siedlungen von Fischer nicht gewürdigt. So wurden die Leistungen des Siedlerverbandes über Anhalt hinaus kaum bekannt.

Besonders die Knarrberg Siedlung in Dessau-Ziebigk kann als Gegenentwurf zu Törten verstanden werden. Leopold Fischer und Leberecht Migge planten und bauten eine zweigeschossige Doppelhaussiedlung in moderner Formensprache mit glasgedeckten Wintergärten, 400qm großen Nutzgärten, durch mannshohe Holzzäune, auch Fruchtmauern genannt, getrennt sowie mit Regenwasser-versickerung. Leberecht Migge hatte einen optimierten Plan aufgestellt, wie sich jede Familie selbst versorgen kann und wie die Abfälle im Garten wieder verwendet werden. (Abb. 21,22,23)

Abb.21  Skizze, Dessau Knarrberg-Siedlung, Archiv: Museum für Stadtgeschichte Dessau

Abb.22  Lageplan, Dessau Knarrberg-Siedlung, Archiv: Museum für Stadtgeschichte Dessau

Abb.23  Gartenseite, Dessau Knarrberg-Siedlung, Archiv: Museum für Stadtgeschichte Dessau

Die Siedlung wurde deswegen auch Selbstversorger-Siedlung genannt. Die heute etwas kahl aussehenden Häuser waren ursprünglich mit Wein begrünt. In den Vorgärten wuchsen Trauerweiden. Noch bis in die 50 er Jahre hatte sich dieses charakteristische Bild erhalten.Der hohe soziale Wert dieser Siedlung ist bis heute spürbar. Die Holzzäune sind inzwischen durch Mauern oder Betonfertigteilen ersetzt, immer noch mannshoch, so dass die Gärten vor jeder Einsicht geschützt sind. Die die Doppelhäuser ursprünglich verbindenden eingeschossigen Schuppen, die jeweils von der Straße und vom Garten zugänglich waren sind inzwischen ausnahmslos zu Garagen umgebaut worden. Auffallend ist, wie häufig sich die Nachbarn um eine gemeinsame Gestaltung  bemüht haben. (Abb.24,25,26)10

 

 

Abb.25  Gartenmauern, Dessau Knarrberg-Siedlung 2019, Foto: Inken Baller

Abb.26  Blick in den Garten, Dessau Knarrberg-Siedlung 2019, Foto: Inken Baller

Abb.27  Ansicht vom Zentrum Ratingen West, Merete Mattern, Archiv: Fabian Zimmermann

Die Zeit um den 1. Weltkrieg und die 20er Jahre wird oft als eine erste Umweltbewegung bezeichnet. Bevor wir jedoch zur zweiten Umweltbewegung kommen noch ein kleiner Einschub.

Stadtutopien

In den 50er, 60er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde die zunehmende Verstädterung in der Welt als eine Gefahr für die Zukunft der Menschheit  angesehen. Die traditionellen Stadtkonzepte wurden als nicht tauglich für die Aufnahme der explosionsartig wachsenden Bevölkerung eingeschätzt. Neue visionäre Stadtmodelle wurden entwickelt, zum allergrößten Teil hybride hoch technisierte Strukturen. Parallel entstanden auch Ideen, die sich als eine Fortsetzung von natürlichen Bedingungen verstanden wie zum Beispiel von Paolo Soleri, (19192013), der Erfinder der Arcology-Bewegung und Erbauer von Arcosanti in der Wüste von Arizona. In seinen Visionen sollten Menschen autark und kompakt im Einklang mit der Natur leben mit dem Wüstenwind und der Sonne als Energiequellen.

Etwa zeitgleich entwickelten Enrico(1925-2013)und Lucia Hartsuyker(1926 -2011) 1965 mit „Biopolis“ ein Modell für eine neue urbane Kultur im Gegensatz zu der funktionalistischen Stadt –  Biopolis als eine sozial und funktional integrative kompakte Stadt mit gestapelten terrassierten Gärten, ca. 15 Geschosse hoch. Im Inneren wurden die erforderliche Infrastruktur für die Bewohner und der Verkehr untergebracht.

Merete Mattern (1930 – 2007) nahm 1967 zusammen mit ihrer Mutter, der Landschafts-und Gartenarchitektin Herta Hammerbacher und Yoshitaka  Akui an dem städtebaulichen Wettbewerb Ratingen West teil. Sie reichte eine Stadtlandschaft ein mit den folgenden zusammengefassten Arbeitsthesen: Soziale Integration, Partizipation, Ganzheitlichkeit, enge Verbindung von Architektur und Landschaft. Die Arbeit wurde mit einem Sonderankauf gewürdigt.(Abb.27,28,29) und führte zu einer ausführlichen Diskussion in der Zeitschrift Bauwelt. Auch international wurde ihr Beitrag im Gegensatz zum ersten Preis sehr beachtet.1972 gründete Merete Mattern die „Gesellschaft für experimentelle und angewandte Ökologie e.V.“

Abb.27  Ansicht vom Zentrum Ratingen West, Merete Mattern, Archiv: Fabian Zimmermann

Abb.28  SchemaschnittRatingen West, Merete Mattern, Archiv: Fabian Zimmermann

Abb.29  Modell Ratingen West, Merete Mattern, Archiv: Fabian Zimmermann

Abb.30  Wien, Alt Erlaa, Foto: Helga Fassbinder

Abb.31 Wien, Alterlaa, Fassade bis 13.Etage. Foto Helga Fassbinder

Abb.32 Wien, Alt Erlaa, Schemaschnitt, Büro Harry Glück

Abb. 33 Wien, alterlaa, Fassade. Foto Helga Fassbinder

Neben diesen Utopien und durchaus beeinflusst von ihnen entstanden ganz reale Projekte.

 

Alterlaa, Wien

Der  WienerHarry Glück (1925  – 2016), hat von 1973 bis 1985 in Alt-Erlaa mit 3200 Wohnungen Österreichs größte nicht-kommunale Wohnanlage geplant und errichtet. (Abb.30) Alt-Erlaa kann als Stadt in der Stadt bezeichnet werden – als eine grüne Stadt, mit der Glück ganz bewusst ein Gegenmodell zu den gängigen Wohnsiedlungen errichtete. Der Architekt wollte Städtern mit seinen Terrassenhäusern einen Ersatz für das Wohnen mit Garten bieten. (Abb.31) Die durch die Terrassierungen entstandenen unbelichteten Innenräume in den unteren Geschossen nutzte Glück für Hallenschwimmbäder, Saunen und Solarien, Fitness-Center, Vereinsräumen sowie Schlechtwetterkinderspielplätzen, alles im Kostenrahmen des geförderten Wohnungsbaus. (Abb.32) Wichtigste Kommunikationsorte wurden die Dachschwimmbäder mit dem Blick über halb Wien.

Darüber hinaus gibt es fußläufig zu erreichen Ärztezentren, Kindergärten Schulen, Jugendclubs, Sport- und Tennishallen, ein Theater, eine Bibliothek und eine Kirche sowie Gastronomie. Wirtschaftlich möglich war das nur durch die hohe Anzahl an Mietern in einer Großform.

Die Parklandschaft zwischen den Häusern setzt sich fort bis in das dreizehnte Obergeschoss. (Abb.33,34) Bis zu dieser Höhe verfügen alle Wohnungen über große Erdtröge, deren üppige Bepflanzung Alt-Erlaa zu einer vertikalen Gartenstadt macht.

In der Fachwelt viel diskutiert und auch umstritten sind die Bewohner bis heute sehr zufrieden, es gibt kaum Fluktuation, faktisch keinen Leerstand. Die hohe Akzeptanz zeigt sich auch in einer spürbaren Verantwortung der Bewohner für ihre Anlage.

Ein Kommentar von Friedrich Achleitner, einer der einflussreichsten österreichischen Architekturkritiker: „Ich muss gestehen, ich habe selbst erst sehr spät bemerkt, dass Glück im Wohnbau wirklich Pionierarbeit geleistet hat. Glück hat gezeigt, dass man Wohnbau nicht nur mit Architektur erledigen kann. Da spielen noch viele andere Elemente eine Rolle. Was er vorgelegt hat, ist im Grunde ein urbanes Konzept.“ 11

 

Ivry, Paris

Einen vergleichbaren Ansatz verfolgten die französischen Architekten RenéeGailhoustet (1927) und Jean Renaudie (1925-1981).12

Der Eintönigkeit des Massenwohnungsbaus der 50er und 60er in den Vorstadtsiedlungen von Paris setzten sie (1927) mit ihren Terrassenhäusern und gemischt genutzten Wohntürmen in den 70er Jahren eine Planung in Ivry sur Seine entgegen, die im Sozialen Wohnungsbau privates Wohnen und öffentliches Leben neu zusammenführte. RenéeGailhoustet war dort 1969 zur Chefarchitektin und leitenden Stadtplanerin berufen worden. Pyramidale Strukturen basierend auf einem dreieckigen Betonskelettraster türmen sich gleichermaßen zu Berglandschaften auf. Jede Wohnung verfügt über eine Dachterrasse, die bis heute von den Mietern intensiv begrünt wird. Im Inneren dieser Strukturen sind die technische Infrastruktur, die Erschließungswege, soziale Räume wie Kindergärten und Bibliotheken sowie vor allem Einkaufszentren untergebracht, die letztlich die Dachterrassen finanzieren. Von den mehr öffentlichen Räumen zweigen Gassen und Wege zur Erschließung der einzelnen Wohnungen ab. (Abb.35,36,37,38)

Abb.35  Ivry 2019, Foto: Christian Kloss

Abb.36  Ivry 2019, Foto: Christian Kloss

Abb.37  Ivry 2019, Foto: Christian Kloss

Abb.38 Ivry 2019, Foto: Christian Kloss

 

Mit dem Großen Kunstpreis Berlin 2019 – verliehen durch die Akademie der Künste – ist endlich das Werk von RenéeGailhoustet gebührend gewürdigt worden. Die Jury hat die Aktualität ihres Werkes hervorgehoben. Neben dem Engagement für eine soziale Architektur wurden vor allem auch Fragen der nachhaltigen Entwicklung zum Beispiel der Begrünung  und der fußläufigen Erreichbarkeit der Infrastruktur vorweggenommen. Auch 2019 geht es um Verdichtung, bezahlbare Mieten, soziale Durchmischung und urbanes Grün.13

Abb.39 Grasdachsiedlung, Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop 

Abb.40 Lageplan Wohnweg, Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop 

Abb.41 Eingangshof, Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop    

Zweite Umweltbewegung

Als Folge der Ölpreiskrise entwickelte sich in den 70er Jahren ein neues Bewusstsein für die Endlichkeit von Rohstoffen. Weiteren Auftrieb erhielt die zweite Umweltbewegung durch Tschernobyl und die Anti-Atomkraftbewegung. Sie fand in Westdeutschland 1978 ihren institutionellen Niederschlag u. a. in der Einrichtung eines Umweltministeriumsund des Umweltbundesamtes. 1980 wurden „Die Grünen“ als Bundespartei gegründet. Vor diesem Hintergrund  wurden neue ökologische Siedlungsmodelle entwickelt.14

Stellvertretend seien hier genannt die Laher Wiesen bei Hannover von den Architekten Boockhoff und Rentrup, eine 1984/85 fertig gestellte Siedlung mit zweigeschossigen Einfamilienhäusern als Reihenhäuser in Holzbauweise zum großen Teil mit zusätzlichen Gartenhäusern. Sie gilt in Deutschland als erste Siedlung, die ausschließlich Gründächer aufweist. (Abb.39,40) Insgesamt wurden 69 Wohnungen mit hohem Eigenleistungsanteil und großem ökologischem Anspruch errichtet: Flächensparendes Bauen, Versickerung von Regenwasser, Abfallvermeidung, passive Sonnenenergie durch Wintergärten, umweltfreundliche Baustoffe, autofreie Wohnwege, Minimierung von versiegelten Flächen, sparsamer Technikeinsatz. (Abb.41,42). Die Gartenhäuser sind von einem zusätzlichen hinteren Weg erschlossen, so dass sie bis heute sehr vielfältig als Einliegerwohnung, als Erweiterung des Hupthauses, als Werkstatt oder als Altenteil genutzt werden. (Abb.43) 2014 wurde das 30jährige Bestehen der Siedlung gefeiert. (Abb.44)

Abb.42 Seitliche Ansicht, Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop    

Abb.43 Wohnweg Gartenhäuser, Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop 

Abb.44 30 Jahre Laher Wiesen, Archiv: Helmut Rentrop 

Das zweite Beispiel ist die 1984 errichtete Ökosiedlung „Frasenweg“ Kassel von Gernot Minke, Manfred Hegger und Doris Hegger-Luhnen, bestehend aus 36 Wohneinheiten mit einer GFZ von 0,7.(Abb.45,46) Ihre ökologischen Ansätze: Vermeidung von Versiegelung, Verwendung von energiesparenden und recyclingsfähigen Baustoffen, Regenwassernutzung, Wintergärten, Verringerung des Trinkwasserverbrauchs, Wasserspeicherung in Vegetationssystemen, passive Nutzung von Sonnenenergie, sommerlicher Wärmeschutz, Dach- und Fassadenbegrünung, Windschutzhecken, indirekte Lüftung über Wintergärten, Sauerstoffanreicherung und Reinigung der Innenluft durch Integration von Vegetation. (Abb.47,48)

Abb.45 Lageplan, Ökosiedlung Frasenweg, Archiv: HHS PLANER + ARCHITEKTEN AG

Abb.46 Blick vom Wasserturm, Ökosiedlung Frasenweg, Archiv: HHS PLANER +    ARCHITEKTEN AG

Abb.47 Häuserreihe, Ökosiedlung Frasenweg, Archiv: HHS PLANER + ARCHITEKTEN AG

Abb.48 Gartenansicht, Ökosiedlung Frasenweg, Archiv: HHS PLANER + ARCHITEKTEN AG

Diese ersten Projekte hatten mit erheblichem Widerstand von Baubehörden und Nachbarn zu kämpfen – die Nachbarn der Häuser von Gernot Minke in Kassel wehrten sich z.B. gegen die geplanten „Lehmhütten“. Gegen die Grasdächer wurde mit dem Satz „Jetzt fehlen nur noch die Urmenschen“ polemisiert.16 

Etwa zur gleichen Zeit sind städtische ökologische Beispiele in Berlin realisiert worden.

Frei Ottos Ökohäuser sind im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Berlin 1984/87 am südlichen Tiergartenrand zum Thema „Natur und Bauen“ errichtet worden. Sie sollten den Bewohnern ein Maximum an Selbstbau ermöglichen. Dazu wurde ein Rohbau aus Stahlbeton errichtet, es entstanden gleichermaßen gestapelte Bauplätze. Ökologisch Interessierte bildeten eine Baugemeinschaft. Neben Frei Otto waren neun Architekten tätig, die ihre jeweiligen Bauherrn berieten und unterstützten. Es ist hier nicht die Zeit und der Ort, um auf den sehr konfliktreichen Bauprozess einzugehen. Letztlich konnten von den drei Häusern zwei durch das Eigentumsförderungsprogramm des Landes und mit einer Zusatzförderung des Bundes und das dritte im Sozialen Wohnungsbau realisiert werden. Die Häuser wurden in der Zeit von 1988 – 1991 errichtet. Von ökologischer Bedeutung sind bis heute der Erhalt des vorhandenen Baumbestands (Abb.49),

Abb.49 Lageplan, Ökohäuser, Archiv: Frei Otto, Hermann Kendel

 

Verzicht auf Absenkung des Grundwasserspiegels während der Bauzeit, passive solare Energiegewinne durch große nach Süden ausgerichtete Glasflächen und durch Wintergärten, thermische Pufferzonen, Grauwasserrecycling, Verwendung ökologisch unbedenklicher Materialien und Integration von Vegetation in und um die Gebäude. (Abb.50)17

Die üppige Flora und Fauna, die sich auf dem ehemaligen Botschaftsgelände des Vatikan nach der Zerstörung im 2.Weltkrieg bis 1980 entwickelt hatten, konnte natürlich über den Bauprozess hinweg nicht erhalten werden, aber sind inzwischen wieder in großer Diversität vorhanden. (Abb.51,52,53)

Abb.50 Querschnitt und Nordansicht des Südosthauses, Archiv: Frei Otto, Hermann Kendel

Abb.51 Blick von der Corneliusstraße, Ökohäuser, 2019, Foto. Inken Baller

Abb.52 Garten, Ökohäuser, 2019, Foto: Inken Baller

Abb.53 Blick auf die Gartenterrasse des Südwesthauses, Foto: Ekhart Hahn

Das zweite Beispiel ist die bis heute existierende Kindertagesstätte Dresdner Straße in Berlin Kreuzberg (Abb.54) – eine Umnutzung eines ehemaligen Parkhauses, das zu dem Neuen Kreuzberger Zentrum gehörte und von dem es hieß, man habe schon einmal ein Auto hinein fahren sehen, aber niemals heraus. (Abb.55) Das Gebäude besteht aus einem  robusten Stahlbetonskelett, ist halbgeschossig versetzt und war mit Rampen verbunden.

Unmittelbar vor dem Umbau wurde die Hochgarage 1984 als Ausstellungsraum für die IBA genutzt. Unter dem Motto „Schöne Neue Welt“ wurde eine Ausstellung zu ökologischen Fragen18gezeigt. (Abb.56)

Abb.54 Kindertagesstätte Dresdner Straße, 2019, Foto: Inken Baller

Abb.55 Garage Dresdner Straße, Archiv: Inken Baller

Abb.56 Plakat zur Ausstellung „Schöne Neue Welt“, Archiv: Inken Baller

Als Auftakt und Zeichen, dass hier etwas passiert, wurden in Zusammenarbeit mit Gabriele Heidecker auf der Straße Riesenleinwände mit den Kindern der Umgebung bemalt und vor die Fassaden gehängt. (Abb.57,58)

Zwei Ebenen der Garage wurden als „Naturraum“ einschließlich eines Fischteichs als Demonstration für die Permakulturvon Margrit und Declan Kennedy19umgebaut und in der obersten Ebene ein Forum für Lesungen, Vorträge und Konzerte geschaffen. (Abb.59,60)

Abb.57 Kinderaktion Dresdner Straße, 1984, Foto: Gabriele Heidecker

Abb.58 Kinderaktion Dresdner Straße, 1984, Foto: Gabriele Heidecker

Abb.59 Ausstellung Dresdner Straße, 1984, Foto: Gabriele Heidecker

Abb.60 Ausstellung Dresdner Straße, 1984, Foto: Gabriele Heidecker

Der Umbau zur Kita erfolgte unmittelbar nach Beendigung der Ausstellung

Der wesentliche strukturelle Eingriff durch die Architekten Gerhard Spangenberg und Dieter Frowein bestand in der Integration eines verglasten Innenhofs. Der begrünte Innenhof und die Nutzung der Dachfläche als Dachgarten sind die wichtigsten Elemente des ökologischen Konzepts von Martin Küenzlen, die auch dazu beitragen, dass die Vergangenheit als Hochgarage nicht mehr spürbar ist und dass ein Ausgleich für das Defizit an natürlichem Grün in der unmittelbaren Umgebung geschaffen wird. (Abb.61,62)

Abb.61 Umbau zur Kindertagesstätte, Lichthof, Foto: Martin Küenzlen

Abb.62 Grüner Lichthof, Kindertagesstätte, Foto: Martin Küenzlen

Mit der IBA 84/87 wurde der ökologischer Stadtumbau zum ersten Mal thematisiert. Anfänglich eher am Rande wurde dieser Aspekt vor allem in der sogenannten Altbau IBA immer relevanter.

Am Beispiel des Blocks 108 in Berlin Kreuzberg wollte Ökotop zeigen, wie sich im steinernen Berlin Gebäudeblöcke mit Hilfe von großflächiger und zusammen-hängender Begrünung an allen dazu geeigneten Flächen in grüne Oasen verwandeln lassen können.21Für jedes Grundstück und jedes Haus im 46000qm großen gemischt genutzten Block wurde dazu ein Maßnahmenkatalog als Langzeitprogramm erstellt, das als eine Vision bis heute noch eine Herausforderung ist. (Abb.63,64)

Abb.63 Titelblatt , Zeichnung: Detlef Surrey

Abb.64 Innenhof, Block 108, 2019, Foto: Inken Baller

Wenn alle Vorschläge über die Jahre hinweg realisiert werden, könnte die bioaktive Fläche das Anderthalbfache der Grundstücksfläche betragen.

Der Block 108 ist zum großen Teil von sehr aktivem Gewerbe belegt, das an eine intensive Begrünung  weniger interessiert ist im Gegensatz zu den Blöcken, in denen mehrheitlich gewohnt wird wie zum Beispiel im Block 103.22(Abb.65,66)

Abb.65 Block 103, Ecke Skalitzer Straße, 2019, Foto: Inken Baller

Abb.67 Walter-Benjamin-Platz, Charlottenburg, 2019, Foto: Inken Baller

Abb.66 Block 103, Innenhof, 2019, Foto: Inken Baller

Nach der Wiedervereinigung 1989/90 gerieten in Berlin ökologische Fragen mehr und mehr aus dem Blickfeld. Maßgeblich verantwortlich ist dafür Hans Stimmann, der von 1991-2006 als Senatsbaudirektor beziehungsweise als Staatssekretär für Planung das Planungs- und Baugeschehen in Berlin beeinflusste. Seine Haltung wird verdeutlicht in dem nachfolgenden Zitat:  

„Ich bin ein Anhänger der körperhaften Architektur, des steinernen Berlin … Meine Architektur muss sich in die Traditionslinie von Gilly, Schinkel, Messel, Mies van der Rohe, Taut bis Kleihues einordnen lassen … Die erste Bedingung heißt: Bauen im Block … Wo immer ich Architektur beeinflussen kann, verstehe ich das unter der Überschrift: diszipliniert, preußisch, zurückhaltend in der Farbigkeit, steinern, eher gerade als geschwungen23

In dieser Tradition steht derWalter Benjamin-Platz in Berlin Charlottenburg (2000) von Hans Kohlhoff. (Abb.67) Nach Bekanntwerden der Kohlhoffschen Planung bat eine Bürgerinitiative Hinrich Baller um einen Gegenentwurf (Abb. 68), der jedoch keinerlei Chancen für eine Realisierung hatte.

Abb.68 Entwurfsalternative zum Walter-Benjamin-Platz, Skizze: Hinrich Baller

Abb.69 Mercedesplatz, 2018, Foto: Inken Baller

Abb.70 Mercedesplatz, Blickrichtung Eastside Gallery, 2018, Foto Inken Baller

Fußnoten

1Gerhard Hinz, Peter JosephLenné, Das Gesamtwerk des Gartenarchitekten und Städteplaners in zwei Teilen, Hildesheim 1989, S.144

2Tubbesing, Markus: Die Entdeckung des Großstadtgrüns bis zum ersten Weltkrieg, in Bodenschatz, Harald und Brantz, Dorothee (HG), Grünfrage und Stadtentwicklung, Berlin, 2019.

3Georg Haberland ist Sohn von Salomon Haberland, der 1890 die Berlinische Bodengesellschaft gründete, die Grund und Boden erwarb, erschloss, parzellierte und an Bauherren verkaufte. Als Nachfolger seines Vaters vereinigte er 1906 die Berlinische Bodengesellschaft mit der Terrain-Gesellschaft- Berlin-Südwest, die in Folge neben dem Rheingauviertel weitere wichtige Projekte entwickelte, zum Beispiel das  Bayrische Viertel in Schöneberg und das Historikerviertel um die Sybelstraße zwischen Kurfürstendamm und S-Bahn in Charlottenburg.

4Leberecht Migges Studie „Berlin kolonisiert“ von 1932, die erstmals Ende dieses Jahres Im Karl Krämer Verlag veröffentlicht wird, war ein radikaler Plan, die Ernährung in einer Metropole selbst zu produzieren. Migge versucht mit seinem Berlin-Plan die sich seit dem 19. Jh. entfaltende ökologische Krise der Großstadt mit modernen Mitteln zu überwinden. Dabei sollte das von ihm entworfene Ökosystem in einer schrittweisen, partizipativen Form umgesetzt werden. (Herausgeber: Philipp Oswalt).

5Posener, Julius, Vorlesungen, IV Architektur der Reform, ARCH+, Band 2, Berlin, 2013.

6BMU Pressemitteilung Nr.268/16 vom 03.11.2016.

7Folgende sechs Siedlungen sind sei 2008 Welterbe: Gartenstadt Falkenberg von Bruno Taut, Ludwig Lesser; Siedlung Schillerpark von Bruno Taut; Großsiedlung Britz (Hufeisensiedlung) von Bruno Taut, Martin Wagner, Leberecht Migge; Wohnstadt Carl Legien von Bruno Taut, Franz Hillinger; Weiße Stadt von Bruno Ahrends, Wilhelm Büning, Otto Rudolf Salvisberg, Ludwig Lesser; Großsiedlung Siemensstadt von Hans Scharoun, Walter Gropius, Hugo Häring, Fred Forbat, Otto Bartning, Paul Rudolf Henning, Leberecht Migge.

8Leopold Fischer wurde „wieder entdeckt“ durch die Aktivitäten insbesondere von  Dr. Irene Below, Dr. Wolfgang Paul, Franz Wolter u.a., beginnend mit der Ausstellung 1994 „…es gab nicht nur das bauhaus.“ Besonders informativ ist die 2010 vom Bauhaus Dessau e.V. herausgegebene Biographie zu Fischer: „Leopold Fischer – Architekt der Moderne. Planen und Bauen im Anhalt der 20er Jahre, Funk Verlag, im Buchhandel leider vergriffen aber im Internet als pdf erhältlich.

9Gropius, Ise: Tagebuch, Eintragung vom 5.6.26, S. 136, Bauhausarchiv Berlin.

10Eine sehr ausführliche Beschreibungen über das Wohnen in der Siedlung findet sich in der schon erwähnten Biografie „Leopold Fischer  – Architekt der Moderne“ von Fritz Becker „Wohnen in der Knarrberg-Siedlung“ als Erinnerungen eines Erstbewohners.

11Seiß, Reinhard: Am Menschen orientiert, Bauwelt 5, 2017.

12Die wichtigsten Werke neben der Siedlung in Ivry mit den Wohntürmen Raspail(1963–68) und Jeanne Hachette(1972–75) mit Läden, Künstlerateliers und Werkstätten sind die Terrassensiedlungen Le Liégat(1971–82),Marat(1971–86) und La Maladrerie(1975–86). Aufgrund der engen Zusammenarbeit mit ihrem Partner Jean Renaudie stand Renée Gailhoustet lange Zeit in dessen Schatten. Sie wird zum Beispiel in frühen Veröffentlichungen nicht mit genannt.

13arch+ news vom 29.01.2019.

14Eine Zusammenstellung der wichtigsten Siedlungen dieser Zeit ist im Internet zu finden unter https://siedlungen.eu › oekosiedlungen.

15Grewe Rosa:…in die Jahre gekommen, Ökosiedlung am Wasserturm in Kassel

db deutsche bauzeitung, 04 2010.

16Der Spiegel: S. 239, Nr.39, 1984.

17Eine gute Zusammenfassung der Ziele und Durchführung des Projektes ist zu finden unter http://www.ekhart-hahn.de/Content/1/Link/Oekohauuser_Rauchstraße_Berlin-Tiergarten_.pdf      Ekhart Hahn war bis 1989 Projektleiter und zusammen  mit Dagmar Gast, Gabriele Güterbock, Norbert Müller, Peter Thomas, Alessandro Vasella und Joachim Zeisel verantwortlich für das Ökologiekonzept.

18Teil der Ausstellungen zum Berichtsjahr 1984 der Internationalen Bauausstellung 1987, Umbaukonzept der Garage von Bernhard Strecker, übernommen von Inken und Hinrich Baller, künstlerische Beratung: Gabriele Heidecker.

19Margrit (1939-2013) und Declan Kennedy (1934) sind in Deutschland Pioniere der Permakultur. Sie sind Initiatoren und Mitbegründer des Lebensgarten Steyerberg e.V. (1986), eine Wohn- und Arbeitsgemeinschaft, die sich als Modell- und Forschungsprojekt für ein Leben im Einklang mit der Natur versteht.

21Küenzlen, Martin/Oekotop Autorenkollektiv: Ökologische Stadterneuerung – Die Wiederbelebung von Altbaugebieten, Karlsruhe, 1985.

22Der Block 103 in Berlin-Kreuzberg ist ein städtebauliches und stadtökologisches Modellvorhaben als Teil der Internationalen Berliner Bauausstellung, gefördert durch das Experimentelle Wohnungs- und Städtebauprogramm, abgeschlossen 1991.

23Hans Stimmann in einem Interview in Baumeister, Heft 7/1993.

24www.berlin.de